Münster – Beschwörend redet LKW-Fahrer Bernhard Brandt auf die drei Realschüler ein. Aus dem Fahrerhaus heraus erklärt er ihnen den toten Winkel des Fahrzeugs. „Wenn Ihr Euch in diesem Bereich bewegt, seid Ihr nicht zu erkennen“, sagt er. „Seid also vorsichtig. Ich möchte Euch nicht totfahren. Da werde ich doch meines Lebens nicht mehr froh.“
Die drei Klassenkameraden sind nicht die Einzigen, die an diesem Aktionstag zum Thema „Unfallprävention“ teilnehmen. Auf dem Hof des Schulzentrums Kinderhaus tummeln sich zahlreiche Jungen und Mädchen aus den Grund- und weiterführenden Schulen des Stadtteils. Eingeladen hat sie der PräventionsTisch der Kinderneurologie-Hilfe Münster, der gemeinsam mit seinen Partner dieses Schulprogramm auf die Beine gestellt hat. „Münster soll nicht nur die lebenswerteste Stadt der Welt, sondern auch die sicherste sein“, fordert Gertrud Wietholt vom PräventionsTisch. „Wir müssen das Unfallrisiko dauerhaft senken und Schüler und Lehrer dafür sensibilisieren, was passiert, wenn man sich im Straßenverkehr nicht richtig schützt.“ Für dieses Anliegen haben die Verantwortlichen, die Teil der stadtweiten Ordnungspartnerschaft „Verkehrsunfallprävention“ sind, in Kinderhaus schwere Geschütze aufgefahren.
Lautes Geschrei ist aus dem Bus zu hören, mit dem Klaus Wegener von den Stadtwerken einen „Bremstest“ auf dem Schulhof vorführt. „Wenn draußen was passiert, passiert auch drinnen was“, ermahnt er seine jungen Fahrgäste, sich im Bus so zu verhalten, dass auch bei einem Unfall niemand zu Schaden kommt. Für den, der es immer noch nicht verstanden hat, tritt er noch einmal ordentlich auf die Bremse. „Kinder müssen lernen, wo Gefahren im Straßenverkehr lauern“, bestätigt Alexander Peine von der Verkehrswacht. Was ihm bei jungen Radfahrern immer wieder auffällt: „Viele haben nur ein schwach ausgeprägtes Koordinationsvermögen. Und dadurch, dass sie fast nur noch vor dem Computer sitzen und sich kaum bewegen, können sie sich im Raum schlecht orientieren.“ So schickt er die Jungen und Mädchen der Realschule Kinderhaus mit ihren Leezen erst einmal auf den Geschicklichkeitsparcours. Einhändig, eine Acht oder eine Schräge hinauffahren – nicht jeder schafft das problemlos.
Wackelig geht es auch bei der Sucht- und Drogenprävention von Stadt und Polizei zu. Hauptkommissar Wolfgang Schallenberg setzt Natascha die „Rauschbrille“ auf, die einen Blutalkohol von 0,8 Promille simuliert, und lässt sie ein paar Meter gehen. „Man sieht doppelt“, zeigt sich die Geschwister-Scholl-Realschülerin beeindruckt. „Mit dem Rad würde ich wohl umkippen.“ Während Margret Gardemann vom PräventionsTisch einigen Paul-Schneider-Schülern klarmacht, wie wichtig das Tragen und der richtige Sitz des Fahrradhelmes ist, demonstriert die Berufsfeuerwehr Münster in einem Rettungswagen die Folgen, die das Ignorieren dieses Hinweises haben kann. Mit mulmigem Gefühl lassen sich die Jugendlichen vom Arzt Erste-Hilfe-Maßnahmen, Beatmungsgerät und Elektrokardiogramm erläutern.
Noch deutlicher wird Prof. Horst Rieger. Im Foyer des Schulzentrums gibt der Unfallchirurg des Clemenshospitals per Dia-Vortrag Einblicke in seinen Berufsalltag. „Auf den Kopf fallen führt manchmal zu Blutergüssen, die tödlich sein können“, weiß Rieger und zeigt auch den Motorradfahrer, der seine Schutzhandschuhe nicht trug und dessen verbrannte Finger er operieren musste. „Schutzkleidung ist cool“ heißt deshalb auch sein Referat, das ganz auf die Jugendlichen abgestimmt ist mit dem er genau ihren Ton trifft. „Ingrid Klimke hat auch einen Helm auf“, provoziert der Mediziner die Jugendlichen. „Auch Batman trägt Schutzkleidung.“ Ein Foto beweist das. Dann erwähnt der das Kind, das im vergangenen Jahr nach einem Unfall mit seinen Inlinern bei ihm eingeliefert wurde. „Es hatte schwere Kopfverletzungen – und hat sie nicht überlebt.“